Wie Krebs entsteht und was man dagegen tun kann – einfach dargestellt

Von Dr. med. L.M. Jacob

Krebszellen folgen ihrem eigenen Programm

Krebszellen sind genetisch veränderte, umprogrammierte Zellen, die keiner Wachstumskontrolle mehr unterliegen. Sie lösen sich vom gesunden Zellverband, wuchern unkontrolliert und ernähren sich auf Kosten des gesunden Gewebes. Besonders gefährlich sind jene Krebszellen, die menschlichen Stammzellen ähneln. Aufgrund ihrer enormen Vielseitigkeit und Überlebensfähigkeit markieren sie den Beginn eines neuen Lebens – allerdings eines entarteten.

Diese genetischen Veränderungen sind das Resultat von Mutationen, welche entweder schon vererbt oder durch Mutagene bzw. Kanzerogene (insbesondere Rauchen) oder Zellschäden verursacht worden sind. Zellschäden entstehen vor allem durch Entzündungsprozesse. Stammzellartige Krebszellen entwickeln sich meist unter einem extremen Überlebensdruck und führen nach Chemotherapien oder Bestrahlung zu Rezidiven, die oft nicht mehr behandelbar sind. Hier ändern Mutationen nicht nur einzelne Gene, wie bei gut behandelbaren normalen Krebszellen, vielmehr ändert die Zelle ihr ganzes Programm: Sie wird zu einem absolut überlebensfähigen Einzelkämpfer mit einem embryonalen Stammzellprogramm.

Entzündungsprozesse und ihre Rolle bei der Krebsentstehung

Entzündungsprozesse werden von Viren, Bakterien, Parasiten und Autoimmunprozessen ausgelöst und können lokal begrenzt auftreten. Der Nobelpreisträger und Leiter des Deutschen Krebsforschungszentrum zur Hausen entdeckte und isolierte einen neuartigen Erregertyp in Milch und Fleisch von Rindern, den er als „Bovine Meat and Milk Factors“ (BMMFs) bezeichnet (Bund et al., 2021). Diese kleinen DNA-Moleküle ähneln sowohl bakteriellen Plasmiden als auch bestimmten Viren und können durch chronische Entzündungen Krebs auslösen. Zahlreiche Viren sowie einige Bakterien und Parasiten sind nachgewiesene Krebsauslöser und rufen im betroffenen Organ eine chronische Entzündung hervor, die bei mangelnder Reparatur auf Dauer zu Krebs führen kann.

Schutzmechanismen des Körpers

Mutationen, die durch Kanzerogene oder Entzündungen verursacht werden, führen jedoch nicht zwangsläufig zu Krebs. Ganz im Gegenteil: Der Körper verfügt über zwei Schutzmechanismen. Der eine liegt auf der Hand: das Immunsystem. Tumorzellen haben jedoch raffinierte Tarnmechanismen und können sich als körpereigene Zellen ausgeben, wodurch sie dem Immunsystem entgehen können. Deshalb können auch Menschen mit einem sehr guten Immunsystem an Krebs erkranken.

Der andere wesentliche Schutzmechanismus sind Reparaturgene, sogenannte Tumorsuppressorgene. Sind diese mutiert, werden sie auch als „Krebsgene“ bezeichnet, da sie das Risiko für Krebserkrankungen erheblich und in einigen Fällen sogar auf 100 % erhöhen können. Krebsgene spielen eine wichtige Rolle bei der familiären Häufung von Krebserkrankungen. Die meisten Tumorsuppressorgene betreffen viele verschiedene Krebsarten und nicht nur eine bestimmte Art von Tumor. Dies bedeutet, dass z. B. die Oma an Eierstockkrebs, die Mutter früh an einem aggressiven Brustkrebs, die Tochter früh an einem Brustkrebs, der eine Sohn an Pankreaskrebs und der andere Sohn an Prostatakrebs erkranken kann. In all diesen Fällen können die Krebserkrankungen auf eine Mutation der Gene BRCA1 und/oder BRCA2 zurückzuführen sein.

Die Bedeutung von Ernährung und Lebensweise

Eine gesunde Lebensweise kann nicht nur dazu beitragen, das Risiko für Krebs im Allgemeinen zu reduzieren, sondern kann auch besonders wichtig sein für Menschen mit „Krebsgenen“. Eine neue Harvard-Studie, die 27 Jahre lang 12411 Männern mit einem genetisch deutlich erhöhten Prostatakrebsrisiko verfolgte, kam zu dem Ergebnis, dass die Männer mit einem ungesunden Lebensstil ein 4,3-fach höheres Risiko für einen tödlichen Verlauf hatten als Männer mit einem gesunden Lebensstil (pflanzenbetonte Ernährung, Sport, Nicht-Raucher, kein Übergewicht) (Plym et al., 2022). Alle Männer in der Studie hatten die Gene, um Prostatakrebs zu entwickeln, und alle hatten auch die gleiche Häufigkeit von Prostatakrebs – unabhängig von Ernährung und Lebensweise, aber der persönliche Einfluss auf den Krankheitsverlauf war enorm.

Bei Personen mit einer familiären Häufung ist es noch wichtiger, gesund zu leben und regelmäßig Vorsorge zu betreiben, um einen Tumor früh und lokal zu erkennen und zu behandeln.

Wie zahlreiche Studien zeigen, gibt es weitere wichtige Stoffwechselfaktoren, wie erhöhte Cholesterin-, Zucker- und Fettwerte, sowie Wachstumsfaktoren wie IGF-1 aus der Milch und Geschlechtshormone, die die Krebsentwicklung nach einer Mutation forcieren und oft über Leben oder Tod entscheiden können. Eine gesunde pflanzenbetonte Ernährung und Sport/Bewegung wirken hingegen protektiv.

Der Darm und seine Mikroorganismen haben generell eine zentrale Bedeutung für die Funktion des Immunsystems und die Entzündungsneigung im Körper. Guter Schlaf und gezielte Entspannung spielen die wichtigste Rolle bei der Regeneration, während chronischer Stress und psychische Traumata das Immunsystem schwächen können. Diese Zusammenhänge fallen unter das Fachgebiet der Psychoneuroimmunologie.

Eine gesunde Ernährungs- und Lebensweise spielt eine entscheidende Rolle bei der Vorbeugung von Krebs, sowohl für Menschen ohne familiäre Vorbelastung als auch für Personen mit einer erhöhten genetischen Anfälligkeit. Eine humangenetische Beratung und Gendiagnostik können hierbei helfen, eine gezielte und regelmäßige Vorsorge sicherzustellen.

Herausforderungen in der Krebsbehandlung

Eine erfolgreiche Prävention erfordert eine sorgfältige Berücksichtigung der individuellen Risikosituation, die von den genannten Hauptfaktoren abhängt. Diese können sehr unterschiedlich sein, denn es gibt keine Einzelkausalität für Krebs. Daher ist es notwendig, individuell angepasste Strategien zu entwickeln, um diesen Faktoren präventiv zu begegnen.

Krebs dient nicht mehr dem Gemeinwohl, sondern lebt wie ein Parasit. Diese „hirnlosen“ Zellverbände haben sich bisher den intensivsten Bemühungen von Millionen der besten Gehirne der Menschheit widersetzt und sind somit äußerst herausfordernd zu bekämpfen. Der erste und wichtigste Schritt in der Krebstherapie sowie im Krieg ist es, den Gegner genau zu kennen. Krebserkrankungen sind ähnlich vielfältig wie Viren – von leichten Erkältungen bis hin zu tödlichem Ebola. Auch Krebsarten variieren stark, entwickeln sich und passen sich an.

Eine perfekte Behandlungsstrategie gibt es nicht, da sich der Krebs ständig weiterentwickelt. Zügige und überlegte Reagibilität ist wichtiger als Perfektion. Der wichtigste Gesichtspunkt jeder Therapie ist ein positives Nutzen-Risikoverhältnis, d. h. es sollten potentiell hilfreiche Maßnahmen mit minimalen oder keinen Nebenwirkungen und überschaubaren Kosten ausprobiert werden. Bei wirkungsvollen, jedoch mit starken Kollateralschäden verbundenen Maßnahmen ist eine sorgfältige Abwägung, idealerweise unter Einbeziehung einer zweiten Expertenmeinung, erforderlich. Bei aggressiven, schnell metastasierenden Tumoren ist jedoch schnelles Handeln entscheidend, um noch eine Heilung zu erzielen. Die Expertise eines qualifizierten Arztes ist mindestens genauso wichtig wie die eigentliche Behandlung. Solche Ärzte sind jedoch selten zu finden.

Wer seinen Gegner mit seinen Schwächen und Stärken gut kennt und ihn mit Respekt, aber ohne Angst „behandelt“ und mutig bekämpft, hat bessere Aussichten auf einen Sieg.

Die Rolle des Betroffenen in der Krebstherapie

In der Medizin hängt die Wahl der Therapie und Prognose bei Krebs hauptsächlich von der Tumorbiologie, also der Krebsart und dem Stadium der Erkrankung ab. Dennoch kann die wohl wichtigste Rolle der Betroffene selbst spielen. Er kann entweder als passiver „Patient“ fungieren, der seine Krebsdiagnose und Prognose erduldet, oder als selbstbestimmender und aktiv mitwirkender „Agent“, der an seine Heilung glaubt und so seine Therapie beflügelt. So geht er zielstrebig alle Änderungen in seinem Leben und seinem Bewusstsein an, die die Heilung fördern.

Wunderheilungen von tödlichen Krebserkrankungen, die Ärzte als Spontanremissionen bezeichnen, sind fast immer weder unerklärliche Wunder noch spontane Launen der Natur. Vielmehr sind sie das Ergebnis aktiver Heilungsprozesse auf körperlicher, emotionaler, mentaler und spiritueller Ebene, die ein Betroffener aktiv durchlaufen hat.

 Literatur:

  • Bund, T., Nikitina, E., Chakraborty, D., Ernst, C., Gunst, K., Boneva, B., Tessmer, C., Volk, N., Brobeil, A., Weber, A., Heikenwalder, M., Zur Hausen, H., & de Villiers, E. M. (2021). Analysis of chronic inflammatory lesions of the colon for BMMF Rep antigen expression and CD68 macrophage interactions. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 118(12), e2025830118. https://doi.org/10.1073/pnas.2025830118
  • Plym, A., Zhang, Y., Stopsack, K. H., Delcoigne, B., Wiklund, F., Haiman, C., Kenfield, S. A., Kibel, A. S., Giovannucci, E., Penney, K. L., & Mucci, L. A. (2023). A Healthy Lifestyle in Men at Increased Genetic Risk for Prostate Cancer. European urology, 83(4), 343–351. https://doi.org/10.1016/j.eururo.2022.05.008

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