Medikamente statt gesunder Lebensweise?

Lebensstilveränderungen müssen bei Bluthochdruck erste Wahl sein!

Fiona Godlee, die Chefredakteurin von The BMJ (ehemals British Medical Journal), einer der weltweit renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften, stellt angesichts der neuen US-Guidelines die weit verbreitete Blutdruck-Medikation in Frage: Eine Massenmedikation der Bevölkerung kann nicht die Maßnahme sein, wo Lebensstilveränderungen viel mehr bewirken können!

Neue US-Blutdruck-Richtlinien

Das American College of Cardiology (ACC) und die American Heart Association (AHH) gaben 2017 neue, strengere Richtlinien für die Einstufung und Behandlung von Bluthochdruck heraus (s. Tabelle 1). Ziel ist die frühere Intervention zur effektiveren Bekämpfung von Bluthochdruck (Whelton et al., 2018).

Tabelle 1: Neue Richtlinien für die Einstufung von Bluthochdruck des American College of Cardiology (ACC) und der American Heart Association (AHH) (2017):

Einstufung systolischer Wert
  diastolischer Wert
Normaler Blutdruck < 120 mm Hg und < 80 mmHg
Erhöhter Blutdruck 120-129 mmHg und < 80 mmHg
Bluthochdruck Stadium 1 130-139 mmHg oder 80-89 mmHg
Bluthochdruck Stadium 2 ≥ 140 mmHg oder ≥ 90 mm Hg

Mehr als jeder Zweite hat Bluthochdruck

Eine aktuelle Studie hat nun errechnet, wie sich diese neuen Leitlinien auf die Prävalenz von Bluthochdruck in den USA und China auswirken würden, falls diese zur Anwendung kämen: Die Prävalenz von Bluthochdruck würde in den USA auf 63 % aller Erwachsenen zwischen 45 und 75 Jahren ansteigen. In China wären 55 % betroffen – ein Anstieg der Prävalenz um 45,1 %! In absoluten Zahlen sind dies 70 Millionen US-Amerikaner und 267 Millionen Chinesen (Khera et al., 2018).

Über die Hälfte der Erwachsenen über 45 hätte nach den neuen US-Richtlinien also Bluthochdruck – Menschen, für die antihypertensive Medikamente in Frage kommen, so Godlee. Dabei ist die Rate derjenigen, die blutdrucksenkende Medikamente einnehmen, bereits jetzt sehr hoch. Studien ergeben, dass diese Medikamente das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall etwas senken können, doch das kann eine Umstellung der Lebensweise auch! Ist eine Massenmedikation sinnvoll, wenn es auch anders geht? Dabei sind auch die zahlreichen Medikamenten-Nebenwirkungen nicht zu vernachlässigen (Godlee, 2018).

Gewichtsreduktion und salzarme, kaliumreiche Ernährung statt Pillen

Bluthochdruck ist nur eine der Zivilisationserkrankungen, die meist im Quartett des metabolischen Syndroms daherkommen. Daraus entwickelt sich dann Diabetes mellitus Typ 2. Früher dachte man, die Erkrankung wäre irreversibel. Neuen Erkenntnissen zufolge lässt sich durch eine Gewichtsreduktion möglicherweise aber doch eine Besserung erzielen (Godlee, 2018).

Eine Gewichtsreduktion verbessert nicht nur die glykämische Kontrolle, sondern auch den Blutdruck und die Blutfettwerte. Die Nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD) betrifft schätzungsweise ein Viertel der Erwachsenen. Auch hier ist die Gewichtsabnahme durch Ernährungsumstellung und Bewegung die Hauptbehandlungsmaßnahme (Godlee, 2018).

Mit der natriumarmen, kaliumreichen DASH Diet steht eine wissenschaftlich bestens erprobte Ernährungsweise zur Verfügung, die Bluthochdruck sehr wirkungsvoll behandelt. In Deutschland ist die DASH Diet allerdings kaum bekannt – es fehlt eine Lobby, da keiner daran verdient.

Pharmaindustrie im Vorteil?

Der Markt für Medikamente gegen die weit verbreiteten Zivilisationserkrankungen ist für Pharmafirmen extrem attraktiv. Medikamente gegen andere Erkrankungen, die seltener und Lebensstil-unabhängig sind, sind dagegen uninteressant. Patienten, die solchen Erkrankungen machtlos ausgeliefert sind und auf medizinischen Fortschritt hoffen, bleiben auf der Strecke.

Medikamente können nicht die Antwort auf Erkrankungen sein, die durch eine ungesunde Lebensweise verursacht werden und deren Verbesserung, Heilung und Prävention durch eine gesündere Lebensweise möglich ist. Medikamente weisen oft nur einen geringfügigen Nutzen auf, dem hohe Kosten entgegenstehen, die über die Krankenkassen auf die gesamte Bevölkerung umgelegt werden. Zudem dürfen die Nebenwirkungen nicht außer Acht gelassen werden.

Den neuen US-amerikanischen Blutdruck-Richtlinien zufolge sollen im Kampf gegen den Bluthochdruck nicht medikamentöse Maßnahmen, sondern vorrangig eine Änderung der Lebensweise angestrebt werden. Bleibt zu hoffen, dass Regierung, Ärzte und Patienten dies ebenso sehen.

Kommentar von Dr. med. L. M. Jacob:

Wir sind für unsere Gesundheit selbst verantwortlich – das sollte niemand delegieren

Die Anpassung der Bluthochdruck-Leitlinien ist nicht einfach ein bösartiger Coup der Pharmaindustrie – auch wenn diese sicherlich dankbar dafür ist –, sondern steht eher damit in Verbindung, dass Bluthochdruck weltweit tatsächlich zur Hauptursache eines frühen Todes oder einer Invalidität geworden ist.

An unseren Wohlstanderkrankungen ist nicht die Pharmaindustrie schuld, sondern unsere Vorlieben und die Lebensmittelindustrie. Mit Ernährung und Lebensstil kann man leichten Bluthochdruck am besten und mit nur positiven Nebenwirkungen behandeln – das ist bestens belegt.

Unsere Ernährung und Lebensweise machen uns krank. Und Mann hortet meist hunderte von elektronischen Spielzeugen zu Hause, statt des einen wesentlichen, das jeder Mann ab 40 braucht: ein Blutdruckmessgerät. Denn wer früh erkennt, dass der Blutdruck anfängt zu steigen, kann dies durch Änderungen der Ernährung und des Lebensstils sehr gut und rechtzeitig abfangen. Darüber hinaus sind Selbstmessungen immer realistischer als die sporadische Messung beim Arzt.

Gesundheit und Prävention – das ist vor allem auch die Verantwortung eines jeden einzelnen. Wer sie an die Lebensmittelindustrie, die Krankenkasse, die Ärzteschaft oder die Pharmaindustrie abgibt, wird viele böse Überraschungen erleben.

Der Blutdruck sollte hier im Zentrum der Aufklärung stehen, denn er hat sehr viel mit unserem Lebensgefühl zu tun. Es bleibt zu hoffen, dass die neuen Leitlinien nicht zu einer Übertherapie mit zu starker Blutdruckabsenkung führen. Denn auch zu niedriger Blutdruck und vor allem schlecht eingestellter Blutdruck können schaden. Der Patient bleibt nur bei der Therapie, wenn er sich auch wohlfühlt. Hier kann besonders eine zu rabiate Blutdruckabsenkung dem Gehirn den nötigen Saft abdrehen. Der Betroffene kann am besten seinen Blutdruck richtig einstellen, wenn er diesen selbst überwacht und gelernt hat, diesen mit den richtigen Maßnahmen und ggf. Medikamenten einzustellen.

Gerade das wichtigste Gut, „unsere Gesundheit“, wird immer mehr von modernen web-Quacksalbern bedient, denen die von der Ärzteschaft und Pharmaindustrie enttäuschten Menschen ins web, zu Deutsch „Netz“, gehen und von denen sie mit Halbwahrheiten informiert und abkassiert werden. Der größte Feind der Wahrheit ist nicht eine dumme Lüge, sondern die raffinierte Halbwahrheit, weil sie viel schwieriger zu durchschauen ist.

Die gesunde, überlegte Mitte und Jahrtausende von Erfahrungsheilkunde und Naturheilkunde gehen immer mehr verloren und werden von Marktschreiern übertönt, die Halbwahrheiten geschickt verpacken und hinaus-trump-eten. Das geht in Zeiten des Internets, wo nicht die Fakten, sondern Marketingtalent entscheidet, leider sehr einfach.

Sicherlich erscheinen bald auch unsinnige Bücher wie die „Hypertonie-Lüge“ – analog den anderen halbwahren Lügen-Büchern, die meist auf viel dickeren Lügen beruhen als die „Lügen“, die sie thematisieren.

Mir selbst fiel es in diesem Meinungsdschungel zunehmend schwer, Spreu vom Weizen zu trennen, weshalb ich mich nochmals durch die ganze Evidenz hindurcharbeitete. Das Ergebnis war Dr. Jacobs Weg – mit 1.400 zitierten Studien. Die Inhalte werden immer mehr bestätigt. Es freut mich, dass man die Wahrheit nicht ständig Modeströmungen anpassen muss. Was richtig ist, bleibt richtig.

Ihr Dr. Ludwig M. Jacob

Literatur:

  • Godlee F (2018): Pills are not the answer to unhealthy lifestyles. BMJ 362: k3046.
  • Khera R, Lu Y, Lu J, Saxena A, Nasir K, Jiang L, Krumholz HM (2018): Impact of 2017 ACC/AHA guidelines on prevalence of hypertension and eligibility for antihypertensive treatment in United States and China: nationally representative cross sectional study. BMJ; 362: k2357.
  • Whelton PK, Carey RM, Aronow WS, Casey DE, Jr., Collins KJ, Dennison Himmelfarb C, DePalma SM, Gidding S, Jamerson KA, Jones DW, MacLaughlin EJ, Muntner P, Ovbiagele B, Smith SC, Jr., Spencer CC, Stafford RS, Taler SJ, Thomas RJ, Williams KA, Sr., Williamson JD, Wright JT, Jr. (2018): 2017 ACC/AHA/AAPA/ABC/ACPM/AGS/APhA/ASH/ASPC/NMA/PCNA Guideline for the Prevention, Detection, Evaluation, and Management of High Blood Pressure in Adults: A Report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Clinical Practice Guidelines. Hypertension; 71(6): e13-e115.

4 Antworten

  1. Hallo!
    Eine mögliche Ursache für Ihren Bluthochdruck könnte erhöhtes Bauch- und Leberfett sein. Dadurch ist vermehrt Cortisol im Fettgewebe, das die Einlagerung von Salz und die Ausscheidung von Kalium fördert. Um dies zu beurteilen wäre es sinnvoll, die Blutfettwerte sowie Kalium und Natrium im Vollblut zu untersuchen.
    Lassen Sie sich am besten einmal eingehend beraten und untersuchen, z.B. von einem Heilpraktiker und/oder Ernährungsberater. Eine ausführliche Ernährungsanamnese kann auch sehr aufschlussreich sein. Eine kaliumreiche Ernährung bedeutet nach US-Empfehlungen übrigens mindestens 4,7 g Kalium am Tag – das erreicht kaum jemand.

  2. Sehr geehrter Herr Dr. Jaco s.

    Mit ertwa 50 habe ich bei mir einen erhöhten Blutdruck festgestellt. Nach allen ergebnislosen Untersuchungen und einer Irrfahrt durch die Pharmazie bin ich seit etwa 8 Jahren ‚ gut eigestellt“
    Ich habe einen BMI von ca. 27. Bewege mich 3 Tage die Woche im Verkauf, arbiete regelmässig in Haus und Garten und gehe fast jeden Tag eine grosse Runde spazieren. Dazu koche Ich/wir fast ausschliesslich selbst und Fleisch- bzw. Salzlos mit viel Kräutern. Ich trinke Tee und reichlich Wasser. Dazu achrlte ich auf kaliunreiche Ernährung mit Bananen und Nüssen.
    Trotzdem komme ich nicht ohne Beteblocker und Entwässerung auf Werte unter 140.
    Was fällt Ihnen dazu ein?

  3. Sehr geehrte Frau Hillmann,
    das ist sicher ein großes Problem, aber die Lösung ist nur mehr Eigenverantwortung, denn sonst kümmert sich niemand um Ihre Gesundheit!
    Viele Fertignahrungsmittel weltweit sind nicht für den menschlichen Verzehr geeignet.
    Herzliche Grüße
    Ludwig Jacob

  4. Sehr geehrter Dr. Jacobs,
    wie können wir für unsere Gesundheit selbst verantwortlich sein, wenn die Nahrungsmittel voller Chemie sind und dis verschwiegen wird. In New York und in Dänemark sind zum Beispiel die Transfette komplett verboten. Aber in Deutschland? Nichts der gleichen. Unlängst lachte mich ein Zwetchgenkuchen beim Bäcker an, und ich fragt nach den Inhaltstoffen: Unter anderem las ich Backfett!! Tolle Umschreibung von Transfetten! Und gerade de Transfette schädigen das Herz-Kreislaufsystem! Und es isst in Pizza, in Keksen in Kuchen in sehr vielen Fertigprodukten!., auf die Berufstätige oft angewesen sind. Und dann Fruktosesyrup aus den USA wird neuerdings auch überall verwendet, weil es billiger als Zucker ist. Schädigt aber die Leber! In allen Räucherprodukten ist Nitrit- und so geht es endlos weiter.

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