Der enterohepatische Teufelskreis

Die Belastung durch Umweltgifte ist allgemein bekannt und wird stark diskutiert. Dabei sind diese häufig nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Denn die größten Giftmengen entstehen jeden Tag aufs Neue in unserem Darm und Stoffwechsel und belasten die Entgiftungskapazität. Bei durchschnittlichem Proteinverzehr werden bei einem gesunden, jungen Menschen von der Darm-Mikrobiota täglich etwa 4-5 g Ammoniak gebildet, was einem Volumen von 5,5-6,6 l dieses Gases entspricht (Cummings, 1975). Ammoniak ist ein aggressives, stechend riechendes Reizgas, ein starkes Zellgift und ein Hemmstoff der mitochondrialen Energiegewinnung.

Die Bildung von Ammoniak und anderen Endotoxinen ist vom Darmmilieu abhängig. Fleischreiche, ballaststoffarme Ernährung, Antibiotika (auch in der Tiermast) sowie der übermäßige Verzehr von hochalkalischen Basenpulvern (Natron, Kalziumcarbonat) zerstören eine gesunde Darmflora und alkalisieren den Dickdarm.

Je basischer der Darm, desto schwerer fällt die Ausleitung des Ammoniaks über den Stuhl. Denn nur in einem gesunden, leicht sauren Dickdarmmilieu liegt Ammoniak als Ammoniumsalz vor, das aufgrund seiner Polarität kaum rückresorbiert wird und deshalb 400-mal besser als Ammoniak mit dem Stuhl ausgeschieden und damit dem enterohepatischen Kreislauf entzogen werden kann (Cohen et al., 1988) (s. Abb. 1).Darmflora gesund

Abb. 1: Dickdarm mit gesunder Darmflora bei pflanzenbetonter Ernährung

In einem basischen Darmmilieu hingegen wird Ammoniak nahezu vollständig aus dem Darm aufgenommen, in die Leber transportiert und dort zu Harnstoff und Glutamin entgiftet. Ein Fünftel der Harnstoffmenge unterliegt einem enterohepatischen Kreislauf: Er wird wieder in den Darm abgegeben, wo die Darmbakterien ihn wiederum zu Ammoniak und Bikarbonat spalten und der Kreislauf beginnt von neuem (Cummings, 1975).

Da Ammoniak selbst sehr alkalisch ist und den pH-Wert im Dickdarm stark anhebt, wird eine ungesunde Darmflora gefördert, deren Stoffwechselprodukte zu einer weiteren Leberbelastung führen, denn Pilze vergären Zucker zu giftigen Fuselalkoholen und Fäulnisbakterien bilden neben Ammoniak noch andere leberschädigende Zellgifte aus tierischem Protein.

Ist der pH-Wert über 6,5 im Stuhl, dann wechselt der Stoffwechsel vieler wichtiger Bakteriengruppen von einem zuckerabbauenden in einen eiweißspaltenden Stoffwechsel. Aus diesem Eiweißabbau im Dickdarm entstehen Zellgifte wie Skatol, Indikan und Leichengifte (s. Abb. 2).

Dieser Teufelskreis führt zu einer Überforderung der Leber, die nicht mehr ausreichend Energie bereitstellen sowie Säuren und Gifte abbauen kann.

Darmflora krank
Abb. 2: Dickdarm mit Fäulnisflora bei fleischreicher, ballaststoffarmer Ernährung

Ammoniak-Entgiftung hat immer Vorfahrt

Ammoniak-Entgiftung über Leber und Niere

Ammoniak ist ein wichtiger Bestandteil des Stickstoffstoffwechsels und spielt eine entscheidende Rolle in verschiedenen physiologischen Prozessen des Körpers. Seine Hauptfunktion besteht darin, überschüssigen Stickstoff, der bei der Proteinverdauung anfällt, zu entgiften und auszuscheiden. Der Körper wandelt Ammoniak in der Leber in Harnstoff um, der dann über die Nieren ausgeschieden wird. Diese Umwandlung ist lebenswichtig, da Ammoniak in hohen Konzentrationen toxisch ist und das zentrale Nervensystem schädigen kann. Eine gut regulierte Ammoniakkonzentration ist somit essenziell für die Aufrechterhaltung der Homöostase im Körper.

Eine Dysregulation des Ammoniakstoffwechsels kann schwerwiegende pathophysiologische Folgen haben. Bei einer unzureichenden Umwandlung von Ammoniak in Harnstoff kann es zu einer Ammoniakanreicherung im Blut kommen, was als Hyperammonämie bekannt ist. Diese Bedingung kann zu neurologischen Symptomen führen, einschließlich Verwirrtheit, Schläfrigkeit und im schlimmsten Fall zum Koma. Besonders kritisch ist dies bei Patienten mit Lebererkrankungen, da die Leber das Hauptorgan für den Ammoniakabbau ist. Die Auswirkungen einer Ammoniaküberlastung unterstreichen die Bedeutung einer präzisen Ammoniakregulierung im Körper.

Des Weiteren kann eine Störung im Ammoniakstoffwechsel auch andere körperliche Systeme beeinflussen. Studien zeigen, dass eine hohe Ammoniakkonzentration die Gefäßpermeabilität erhöhen und somit zu einer Destabilisierung der Gefäßbarriere führen kann (Lienau et al., 2015). Dies kann insbesondere bei schweren Infektionen oder Sepsis von Bedeutung sein, wo eine gestörte Gefäßintegrität zu einem Multiorganversagen führen kann. Somit ist die Kontrolle der Ammoniaklevels nicht nur für das zentrale Nervensystem, sondern auch für die allgemeine Gefäßgesundheit von entscheidender Bedeutung.

Wenig bekannt ist, dass die Leber im Stoffwechsel das Entsäuerungsorgan Nr. 1 ist. Ihre Entsäuerungsrate übersteigt die der Niere um das 40-Fache. In den Lebermitochondrien, die ein Fünftel des Leberzellvolumens ausmachen, werden organische Säuren wie Milchsäure und Zitronensäure unter Sauerstoffverbrauch und Energiegewinn zu Kohlenstoffdioxid verbrannt, welches über die Lunge abgeatmet wird. Die Leber ist also nicht nur für den Säure-Basen-Haushalt von großer Bedeutung, sondern gleichzeitig zentrales Organ des Energiehaushalts und des Stoffwechsels.

Ammoniak blockiert die Energiegewinnung in den Mitochondrien

Die Leber spielt im Energie- und Säure-Basen-Haushalt eine zentrale Rolle. Ihre hohe Dichte an Mitochondrien leistet zu einem großen Anteil die Umsetzung der Nahrungsmittel in metabolische Energie. Entscheidend mitbeteiligt ist dabei der Citratzyklus, der Kohlenhydrate, Eiweiß und Fett für ihre Verbrennung aufbereitet und auch dem Abbau organischer Stoffwechselsäuren dient.. Ammoniak unterbricht jedoch den Citratzyklus, weil es den wichtigen Reaktionsbaustein alpha-Ketoglutarat entfernt und so die gesamte Energiegewinnung der Zellen ausbremst. Diese Reaktion ist eine zentrale Schnittstelle zwischen Citrat- und Harnstoffzyklus: Das aus alpha-Ketoglutarat gebildete Glutamat wird im Harnstoffzyklus umgesetzt. Beide Stoffwechselwege sind auf einen reichlichen Ketosäurepool angewiesen. So ist die Harnstoffsyntheserate von der Verfügbarkeit von Aspartat abhängig, die sich beispielsweise durch die Zufuhr der Ketosäure Pyruvat steigern lässt (Nissim et al., 1996). Auch die alimentär zugeführten Aminosäuren Arginin, Ornithin und Aspartat entlasten den Harnstoffzyklus.

Die Mitochondrienfunktion ist zudem pH-abhängig: Sinkt der pH-Wert in der Zelle, sinkt auch die mitochondriale Oxidation (Walsh et al., 2002). Dabei werden aktive Mitochondrien, deren Anzahl bei regelmäßiger körperlicher Aktivität ansteigt, durch die pH-Wert-Absenkung weniger beeinträchtigt als inaktive. Die Auswirkungen einer intrazellulären Azidose scheinen also von der individuellen Konstitution abzuhängen (Tonkonogi und Sahlin, 1999).

Milchsäure reguliert das Darmmilieu und die Ammoniakausscheidung

Milchsäure aus der Nahrung senkt den Darm-pH-Wert und bewirkt dadurch zweierlei: Zum einen verhindert die Ansäuerung die Aufnahme des giftigen Ammoniaks aus dem Darm und entzieht es dem giftigen Kreislauf durch die Ausscheidung als Ammoniumsalz. Zum anderen beeinflusst die Ansäuerung die Darm-Mikrobiota positiv, denn das Wachstum krank machender Mikroorganismen wie Fäulnisbakterien und Pilze wird zurückgedrängt. Dadurch entstehen insgesamt wesentlich weniger Ammoniak und Fuselalkohole, was zu einer Entlastung der Leber führt.

Auch wenn es auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint: Obwohl die rechtsdrehende Milchsäure selbst sauer ist, bewirkt sie über die Entlastung von Darm und Leber eine spürbare Verbesserung der Entgiftungs- und Entsäuerungsleistung der Leber.

Außerdem wird Milchsäure von der Darmflora direkt zu Butyrat verstoffwechselt und spielt dabei quantitativ eine gewichtige Rolle. Diese kurzkettige Fettsäure ist für die Darmschleimhaut besonders wichtig, denn die Schleimhautzellen gewinnen 70 % ihrer Energie aus ihr. Bei Energiemangel in den Schleimhautzellen können Lücken in der Darmschleimhaut (Leaky-Gut-Syndrom) entstehen, wodurch schädliche Substanzen aus dem Darm direkt in den Blutkreislauf wandern können. Eine ausreichende Versorgung mit Butyrat beugt dem Leaky-Gut-Syndrom vor, pflegt die durch Fehlernährung strapazierte Darmschleimhaut und schützt nachweislich vor Entzündungen und Krebs (Karim et al., 2024): Bereits Nobelpreisträger Otto Warburg vermutete, dass Butyrat die Umwandlung von Krebszellen zu „normalen“ Zellen fördern kann. Inzwischen ist bewiesen, dass Butyrat das Wachstum aggressiver Krebszellen hemmt und die Normalisierung des Zellstoffwechsels und der Zellregulation fördert.

Übrigens reichen die üblichen Mengen rechtsdrehender Milchsäure in milchsauren Lebensmitteln wie auch in vielen handelsüblichen Milchsäurepräparaten zur Nahrungsergänzung für die erwünschten Effekte oft nicht aus. Empfehlenswert sind mindestens 2.000 mg reine Milchsäure täglich. Die reine rechtsdrehende Milchsäure ist der in milchsauren Lebensmitteln auch häufig enthaltenen linksdrehenden Milchsäure vorzuziehen, die von den Stoffwechselenzymen nicht abgebaut wird und deshalb in einer ungünstigen Stoffwechselsituation die Übersäuerung begünstigen kann.

Laktat – das Salz der Milchsäure

Laktat, das Salz der Milchsäure, ist als Energiespender für das Gehirn von großer Bedeutung. Laktat wird vor allem bei körperlicher Aktivität gebildet. So verbessert Sport nicht nur die Hirndurchblutung, sondern auch die Energieversorgung des Gehirns durch Laktat. Insulinresistenz und Diabetes können sehr gut durch Bewegung behandelt werden. Spielt auch hier die Laktatbildung eine Rolle? Auch bei Demenz könnte Laktat als ein alternativer Nährstoff der Energieversorgung von Gehirnzellen dienen, die aufgrund einer Insulinresistenz nicht mehr ausreichend mit Glukose versorgt werden können.

Viele der positiven Milchsäure-Effekte werden auch durch sportliche Betätigung erreicht. Die orale Milchsäure-Supplementation ist eine Alternative für Menschen, die sich nicht ausreichend sportlich betätigen (können), da sie dem Organismus ein physisches Training simuliert.

Oral aufgenommene L-(+)-Milchsäure wirkt zusätzlich günstig auf den Säure-Basen-Haushalt, indem sie das Darmmilieu reguliert, damit die Ammoniak-Entgiftung verbessert und die Leber entlastet.

 

Literatur:

Cohen RM, Stephenson RL, Feldman GM (1988): Bicarbonate secretion modulates ammonium absorption in rat distal colon in vivo. Am J Physiol; 254(5 Pt 2): F657-F667.

Cummings JH (1975): Absorption and secretion by the colon. Gut; 16(4): 323-329.

Karim MR et al. (2024): Butyrate’s (a short-chain fatty acid) microbial synthesis, absorption, and preventive roles against colorectal and lung cancer. Archives of microbiology, 206(4), 137.

Kramer R (1971): Membrangebundene Mitochondrienenzyme. Clinical Chemistry and Laboratory Medicine (CCLM), 9(5), 443-454. https://doi.org/10.1515/cclm.1971.9.5.443

Lienau J, Müller-Redetzky H, Suttorp N, Witzenrath M (2015): New Pathogenetic Concepts and Pharmacological Studies on Adjuvant Therapy in Severe Pneumonia. Pneumologie 2016; 70(06): 372-378.

Nissim I, Yudkoff M, Brosnan JT (1996): Regulation of [15N]urea synthesis from [5-15N]glutamine. Role of pH, hormones, and pyruvate. J Biol Chem; 271(49): 31234-31242.

Tonkonogi M, Sahlin K (1999): Actively phosphorylating mitochondria are more resistant to lactic acidosis than inactive mitochondria. Am J Physiol; 277(2 Pt 1): C288-C293.

Walsh B, Tiivel T, Tonkonogi M, Sahlin K (2002): Increased concentrations of P(i) and lactic acid reduce creatine-stimulated respiration in muscle fibers. J Appl Physiol; 92(6): 2273-2276.

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